Forum 4: Die Entwicklung des Angebotes - Der Vormarsch interaktiver Medien

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Statement: Greg Childs, Childseye Cross-media Consulting

Greg Childs, der 1998 die „Children’s New Media Unit“ der BBC ins Leben rief, entwickelte die ersten offiziellen Webseiten für Kinder- Jugendsendungen sowie eine Reihe innovativer cross-medialer Programme in Zusammenarbeit mit den neuen digitalen TV-Sendern der BBC. Danach leitete er ein Team, das für den Aufbau des „Interaktiven TV“ für die Kinderkanäle Cbeebies und CBBC verantwortlich war, und beaufsichtigte den Start aller interaktiven Fernsehdienste für Kinder der BBC. Seine Beratungsgesellschaft „Childseye Cross-media Consulting“, die gerade gegründet wird, soll cross-mediale Lösungen für Marken-Inhaber, Produktionshäuser, Sender und andere Organisationen anbieten und ihre Beziehung zu dem jungen Publikum verbessern helfen. Hier in Erfurt nun wollte Greg Childs über den Stand der neuesten Entwicklungen auf dem britischen interaktiven Medienmarkt berichten, mit dem Hintergedanken, die Diskussion in Deutschland über die Zukunft der Kindermedien voranzubringen. Tatsächlich hat Großbritannien, was die Einführung des digitalen Fernsehens und der interaktiven Medien betrifft, in Bezug auf die Bundesrepublik die Nase vorn. 22 Kinderkanäle gibt es in Großbritannien, zwei bis vier Fernsehgeräte befinden sich durchschnittlich in jedem Haushalt und mehr als 50% aller Haushalte empfangen digitales Fernsehen. Greg Childs wartete noch mit mehr Zahlenmaterial und technischen Details auf, unter anderem damit, dass Kinder in Großbritannien doppelt so viel Fernsehen schauen wie bei uns.
Im zweiten Teil seines Vortrages präsentierte Greg Childs einige Beispiele, welchen interaktiven Service Kinder- und Jugendfernsehen anbietet. Dabei geht es darum, Gesehenes vertiefen und spielerisch aufgreifen zu können, aber auch sich weitere Informationen holen und in Kommunikation treten zu können. Die Spielangebote für jüngere Kinder bezogen sich allerdings in der Regel auf bisher bekannte Spielformen: Memory oder Puzzles. Was mit Papp- und Holzteilen schon immer praktiziert wurde, kann nun auch mit Mausklick erreicht werden. Mit dem Vorteil allerdings, dass Kinder von klein auf mit Technik aufwachsen und diese ganz selbstverständlich handhaben. Mit dieser Botschaft beendete Greg Childs dann seinen Vortrag auch: Es sind die Kinder, die frei von jedweder Technik-Phobie die Akzeptanz neuer Technologien und den unvoreingenommenen Umgang mit ihnen voranbringen werden. Wir, die skeptischen Erwachsenen, sollten sie ruhig als unsere „Technical Guides“ in Anspruch nehmen.

Die anschließende Podiumsdiskussion leitete die Geschäftsführerin der Stiftung GOLDENER SPATZ, Margret Albers. Eingeladen hatte sie dazu Christophe Erbes, Geschäftsführer der Fox Kids Germany GmbH, Dr. Matthias Huff, Redaktionsleiter der Eigenproduktion des Ki.KA, Ralph Möllers vom Terzio Möllers & Bellinghausen Verlag, Susanne Rieschel vom ZDF, den Leiter Technik bei SuperRTL, Udo Schwiegelshon und Ulrike Spierling, Professorin für Mediendesign an der Fachhochschule Erfurt. Gleich zu Beginn wurde festgestellt, dass Interaktivität erst dann spannend wird, wenn sie auch neue Inhalte, neue Formate bringt. Interessiert daran sind natürlich alle, ob private oder öffentlich-rechtliche Sendeanstalten. Noch ist der Stand der, dass Interaktivität im Fernsehen meist über Live-Telefonate, Aktionen wie „Ich male mein Lieblingslied“ und vor allem begleitende Spiele nicht hinausgeht. Der KI.KA hat einen Kummerkasten eingerichtet, wo Kinder über ihre Sorgen und Probleme per Mail berichten können und eine persönliche Antwort erhalten. Außerdem werden diese Einsendungen zur Grundlage genommen, um wiederholt auftauchende Probleme im KI.KA als Thema zu behandeln. Ein tolles Beispiel für die Nähe zum Publikum, aber auch für die Notwendigkeit von Interaktivität? Interaktion im Fernsehen läuft nach wie vor über Krücken, wie E-Mail, Telefon und Postkarte. Ein anderes Problem ist, dass echte Interaktivität eine 1:1-Beziehung bedeutet, die aber ein Massenmedium wie das Fernsehen nicht einlösen kann.
Den Gedanken der nicht vorhandenen Technikscheu bei Kindern aufgreifend, stellte Margret Albers provokativ die Frage in den Raum, ob wir – als Erwachsene und Bedenkenträger – den Bedürfnissen der Kinder überhaupt gerecht werden können? Wir müssen von unserem Spurendenken wegkommen, meinte Ralph Möllers vom Terzio Verlag. Die Entwicklung von interaktiven Medien bedeutet, dass sich alle Hersteller von Medien, seien es Autoren, Filmregisseure, Produzenten, Fernseh- und Rundfunkredakteure, Spieleerfinder und Softwarehersteller, bereits im Vorfeld an einen Tisch setzen, die Projekte miteinander vernetzen und auf eine völlig neue inhaltliche Ebene bringen. Gute Geschichten bieten immer eine Möglichkeit, dass sich daraus eine Produktwelt entwickelt, setzte er der Meinung entgegen, dass sich Geschichten erzählen und Interaktivität beißen würden.
Das Kino hat das Theater nicht verdrängt, das Fernsehen nicht das Buch, und die interaktiven Medien werden das alles auch nicht verdrängen – mit diesem Argument versuchte Christoph Erbes die Ängste zu zerstreuen, die immer wieder bei diesem Thema hochkochen. Es ist der Fluch der Menschen, meinte auch Ulrike Spierling, die Zukunft immer mit einem nostalgischen Blick zu beurteilen.
Interaktivität ist Zukunft, darüber muss man sich nicht streiten. Was die Inhalte, die tatsächlichen Möglichkeiten interaktiven Agierens betrifft, fischen wir noch ziemlich im Trüben. Aber genau das macht die Sache so interessant. Diesem Schlusssatz von Margret Albers stimmten alle Anwesenden mit einem kräftigen Applaus zu.