Forum 3: Kindlicher Alltag - Widerspiegelung in den Medieninhalten für Kinder?

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Statement:
Dr. Detlef Schröter, Geschäftsführer des Transferzentrum Publizistik und Kommunikation in München

Welche Filme würdest du im Fernsehen zeigen – fragten die Pixel-Kinder Schülerinnen und Schüler aus der Erich-Kästner-Schule in Gera. Und die zählten die gesamte Bandbreite von Fernsehbeiträgen auf einschließlich Monster-, Märchen- und Tierfilme. Fernsehen erfreut sich bei Kindern großer Beliebtheit, weil es ein multifunktionales Medium ist, das viele der gewünschten „Umgangsqualitäten“ gleichzeitig bedienen kann, erklärte Dr. Detlef Schröter nach dem Pixel-Beitrag. Er unterscheidet bei der Fernsehnutzung zwischen extrinsischen und intrinsischen Motivationen. Dabei steuern die extrinsischen Motive vor allem den quantitativen Fernsehkonsum und sind in den äußeren Rahmenbedingungen zu finden. Der Wunsch, mitreden zu können, sich zu entspannen, die Langeweile zu vertreiben, gemütlich mit der Familie zusammenzusitzen, ist solch eine extrinsische Motivation.
Die intrinsischen Motive beziehen sich auf das qualitative Erlebnis beim Fernsehen. Dazu gehören Faktoren, wie Anregung, Aufregung, Lernen, Identifikation, Projektion, soziale Erfahrungen und Hilfe bei der Bewältigung von Alltagsproblemen. Fernsehen hat für Kinder vier typische Funktionen, die sich sowohl den extrinsischen wie den intrinsischen Motiven zuordnen lassen. Es sind die Informationsvermittlung, die Suche nach persönlicher Identität, Integration und soziale Interaktion sowie die Unterhaltung.
Und noch ein Argument für das Fernsehen: Der besondere Reiz beim kindlichen Spiel besteht im ständigen Wechsel zwischen Realität und Fiktion. Ähnlich kann Fernsehen die kindliche Fantasie aktivieren. Es ist eben so, meinte Dr. Schröter, dass sich die kindliche Mediennutzung nicht in den gängigen Präferenzen messen lässt. Während wir Erwachsene in rastern denken, haben Kinder eine radikale und ganzheitliche Perspektive.
Insofern sollten wir nicht den stimulierenden Einfluss von Fernsehen unterschätzen. Fernsehen erweitert die soziale Erfahrung, hilft bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, kann Ängste abbauen und gibt fantasievolle Anregungen.

An der anschließenden Podiumsdiskussion beteiligten sich die Jugendschutzbeauftragte bei SuperRTL, Birgit Guth, der Autor und Regisseur Bernd Sahling, Dirk Höschen, Medienreferent beim Deutschen Kinderhilfswerk, Andreas M. Reinhard, Leiter des Bereichs Kinderprogramm TV beim Bayrischen Rundfunk und Dr. Schröter. Moderiert wurde das Gespräch von Dr. Claudia Wegener von der Universität Bielefeld.
Obwohl anfangs die meisten Podiumsteilnehmer sehr überzeugt von ihrem Programm der Meinung waren, die Kinder bekommen all das an Medieninhalten, was brauchen, stellten sich im Verlauf der Diskussion doch einige Defizite heraus. Bernd Sahling fragte nach dem Dokumentarfilm für Kinder, Dirk Höschen wartete mit Untersuchungsergebnissen auf, die belegen, dass Kinder sehr viel länger im Internet surfen, als wir glauben. Sie suchen dort genau das, was sie beim Fernsehen nicht finden können: Information vor allem über aktuell-politische Ereignisse und außerdem Kommunikation. Bedenklich ist dabei, dass die Internetnutzung zum bisherigen Fernsehkonsum dazu kommt und Kinder dadurch immer mehr vereinsamen.
Es gibt viele Themen, die das Kinderprogramm im Fernsehen ausspart, obwohl Kinder mit diesen Problemen täglich konfrontiert werden, sei es der Irak-Krieg, Terrorismus oder HIV-Kranke. Eine HIV-infizierte Puppe in der Sesamstraße auftreten zu lassen, entfachte aber heiße Diskussionen. In einer medienpräsenten Zeit wie unserer müssen wir die Weltprobleme für Kinder aufgreifen. Denn sie bekommen sie ohnehin mit, allerdings in einer für sie nicht verständlichen Weise.
Alles, was man erklären kann, soll man erklären, nur sorgfältiger, genauer und witziger – meinte Andreas M. Reinhard vom BR. Er setzt auf Welterklärstücke mit „Charakter“ und wünscht sich mehr Programm für die Jungen. Bernd Sahling wünscht sich, dass Kinder im Kino mehr von ihren Alltagsproblemen wiederfinden, und ist erfreut, dass die Stoffe beim gestrigen Pitching sich sehr vielfältig mit den Sorgen von Kindern beschäftigen. Die Kinder liefern uns die Themen, wir müssen ihnen nur zuhören. Wie wahr!