Forum 1: Wen erreicht das Kinderfernsehen?

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Statements:
Ole Hofmann - Medienforscher
Barbara Sichtermann - Journalistin und Autorin

„Kindersendungen sind etwas, was Erwachsene nicht gern sehen. Wenn ich Trickfilme gucke, sagen meine Eltern das ist Schnulli, aber ich finde sie schön“, meinte eine Junge in dem kurzen Filmbeitrag, den die Pixel-Kinder aus Gera gedreht haben. Sozusagen als Einstimmung lassen sie bei jedem der fünf Foren die Adressaten, also die Kinder selbst, zu Wort kommen. Mit genauen Zahlen, wer was wie oft und wie lange im Fernsehen sieht, wartete dann der Medienwissenschaftler Ole Hofmann auf.
Bereits am Vormittag wurde die Studie „Kinder und Medien“ der ARD/ZDFMedienkommission vorgestellt, nach 1979 und 1990 die dritte Erhebung von ARD und ZDF zum Freizeit- und Medienverhalten von Kindern. Dabei wurde u.a. herausgefunden, dass das Fernsehen nach wie vor an erster Stelle beim Umgang mit elektronischen Medien steht und der Kinderkanal eine sehr hohe Wertschätzung bei Eltern und Kindern findet.
Auch die Ergebnisse, die Ole Hofmann aus dem „Kids Report“ zusammenfasste, einer Programmanalyse, die seit 1993 jährlich vier Wochen lang durchgeführt wird, hörten sich erst einmal ganz gut an. 2003 wurden wöchentlich 336 Stunden Kinderprogramm von 17 verschiedenen Sendern ausgestrahlt, wobei der KI.KA mit 105 Wochenstunden an erster Stelle und SuperRTL mit 84 Stunden an zweiter Stelle steht. An den Wochenenden ballt sich das Kinderprogramm, meist in den Morgenstunden von 7.30 Uhr bis 10.00 Uhr. Im Gegensatz dazu bevorzugen Kinder allerdings Sendezeiten zwischen 17.00 und 20.30 Uhr, mit anderen Worten: Ein Großteil des Angebots verpufft. Hier müssen Sendeanstalten ihre Programmgestaltung neu überdenken, zumal ja früher in den dritten Programmen der ARD die meisten Kindersendungen um 18.00 bzw. 19.00 Uhr ausgestrahlt wurden. Kinder sehen im Durchschnitt 1.33 Stunden Fernsehen am Tag, und das übrigens mehr oder weniger konstant seit zehn Jahren. Dabei ist zu beobachten, dass ein vermehrtes Angebot an Kinderprogramm innerhalb dieser anderthalb Stunden zu einer erweiterten Nutzung des Kinderprogramms führt. Kinder schauen also insgesamt nicht mehr Fernsehen, aber mehr Kinder- und weniger Erwachsenenprogramm. Eine Ausnahme bilden dabei allerdings die Zehn- bis 13-Jährigen. Bei ihnen sinkt der Anteil des „konsumierten“ Kinderprogramms auf ein Viertel. Was die Inhalte des Kinderprogramms anbelangt, dominiert der fiktionale, auf Unterhaltung ausgelegte Zeichentrick, ergänzt durch Realfilm- und Puppentrickangebote. Hier allerdings unterscheiden sich private und öffentlich-rechtliche Anbieter deutlich voneinander. Während die privaten Sender hauptsächlich fiktionalen, unterhaltenden Zeichentrick ausstrahlen, steht bei den öffentlich-rechtlichen Kindersendungen der Realfilm im Vordergrund.. Dabei nehmen nicht fiktionale Stoffe und Mischformate ein Viertel der Sendezeit ein, Information ist ein wichtiger Bestandteil in einem guten Drittel. Auf der Jahreshitliste der Kinder nimmt Kinderfernsehen einen breiten Raum ein, auf den ersten Plätzen sind aber große Abend-Shows wie „Wetten dass ...?“ und „Deutschland sucht den Superstar“ zu finden, vielleicht ein Hinweis darauf, dass in den Familien tatsächlich noch gemeinsam Fernsehen geschaut wird.

Die Journalistin und Autorin Barbara Sichtermann setzte sich in ihrem Statement vor allem mit der Frage „Was erreicht Fernsehen in Kindern?“ auseinander. Dabei stellt sie eine zunehmende Pathetisierung des Kampfes gerade im Kinderprogramm der privaten Anbieter fest. Gesellschaftlich liegt der Wettbewerb, Konkurrenzverhalten und Kampf im Trend. Vergessen wird dabei, dass Wettbewerb nicht immer der beste weg zur Leistungssteigerung ist, sondern Enttäuschung schafft und Verlierer produziert. Um die aber wird sich dann nicht gekümmert. Wer lehrt die Kinder, mit Niederlagen fertig zu werden?
Aber auch im öffentlich-rechtlichen Kinderprogramm, das Freundschaft und Gemeinsamkeit in den Vordergrund stellt, sieht Barbara Sichtermann Gefahren lauern, nämlich die der zu starken Pädagogisierung. Kindliches Spiel und damit kindliches Lernen funktioniert nach eigenen Gesetzen, meinte die Journalistin. Die gilt es zu erforschen und sich darauf einzustellen!

Zu der anschließenden Podiumsdiskussion, die Margret Albers moderierte, waren Frank Beckmann, Programmgeschäftsführer des Kinderkanals ARD/ZDF, Dr. Gerlinde Frey-Vor, Leiterin der Markt- und Medienforschung des MDR, die Leiterin des Programmbereichs Kinder und Jugend beim ZDF, Barbara Biermann, Frank Klasen von der Redaktion Kinderprogramm bei SuperRTL sowie Ole Hofmann und Barbara Sichtermann eingeladen.
Zunächst einmal bestätigten sie, dass es schwierig ist, die Zehn- bis 13-Jährigen für das Kinderprogramm zu gewinnen, zumal „junge Jugendliche“ in diesem Alter keine Kinder mehr sein wollen. Gute Angebote, die auch genutzt werden, sind dabei z.B. „fabrixx“ oder das Showformat „Einfach super“.
Interessant war der Fakt, dass das durchschnittliche Alter der KI.KA-Zuschauer 23 beträgt. Eltern schauen also tatsächlich mit ihren Kindern, vor allem den jüngeren, gemeinsam Kinderfernsehen. Insgesamt aber sprechen nur ein Drittel der Eltern mit ihren Kindern über das Gesehene.
Weniger erfreulich ist die Präsenz von Spielfilmen im Kinderprogramm. Frank Klasen musste mitteilen, dass SuperRTL den festen Sendeplatz letztes Wochenende aufgeben musste, weil Spielfilme für Kinder nicht refinanzierbar sind. Auch die öffentlichrechtlichen Sender haben zunehmend Schwierigkeiten, lange Filme für Kinder zu finanzieren. Im KI.KA gibt es derzeit drei feste Spielfilmplätze, während das ZDF, das sich gerade an der Produktion von „Die Blindgänger“ beteiligt hat, keinen festen Sendeplatz für Kinderfilme hat.