Forum 1: Die Favoriten der Kinder - Wie ernst werden die Interessen der Zielgruppe genommen?

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Version vom 15. April 2009, 09:30 Uhr von Admin (Diskussion | Beiträge)

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Unter dieser Fragestellung präsentierten die MDR-Redakteurin Christa Steiber die beliebte Serie „Schloß Einstein“, Angela Welz vom ZDF die Unterhaltungssendung „Tabaluga tivi“ und Cornelia Deil- Sanoh von der Grundy Ufa Production GmbH die Serie „Unter Uns“. Uschi Reich, Geschäftsführerin der Bavaria Filmverleih- und Produktions GmbH, stellte die neuesten Kästner-Adaptionen vor, das Gespräch moderierte Dr. Maya Götz vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI).

Zum Auftakt des ersten Forums zeigten die PIXEL-Kids Benjamin, Denis und Carolin vom Offenen Kanal Gera einen Beitrag, in dem die „Zielgruppe“, sprich die Kinder selbst zu Wort kommen. Deren Favoriten bei Fernsehsendungen sind u.a. „GZSZ“, die „Simpsons“, „Schloß Einstein“, „Kommissar Rex“, der „Tigerentenclub“, „Tabaluga tivi“ und „alles, wo man nicht drüber nachdenken muß“. Was ihnen an ihren Lieblingssendungen besonders gefällt, sind „große Witze“, „wenn man was lernen oder wenn man lachen kann“, die „happy-ends“ oder wie bei den „Simpsons“ die „volle Gesellschaftskritik“. Die anwesenden Filmemacher, Fernsehredakteure, Medienpädagogen und Journalisten amüsierten sich köstlich, als am Schlußwort des Beitrags eine Junge unter der Rubrik „Was ich noch sagen wollte ...“ einen Wunsch äußerte:“Ich würde mich freuen, wenn die, die Fernsehen machen, mal durch die Straßen gehen und fragen würden, was seht ihr gern?“

Christa Streiber vom MDR, Redakteurin von „Schloß Einstein“ griff die heitere Stimmung auf, um deutlich zu machen, wie Erwachsene generell auf die Meinung von Kindern reagieren. In Bezug auf ihre eigene Sendung betonte sie, daß ihre Zielgruppe ernst genommen wird, und zwar im Sinne einer Partnerschaft. „Schloß Einstein“, dessen 220. Folge gerade abgenommen wurde und am 23. November ausgestrahlt wird, war Gegenstand mehrerer Untersuchungen und Forschungsprojekte. Dabei wurden nicht nur die „Marktanteile“ untersucht, sondern u. a. auch genaue Erhebungen bei den verschiedenen Altersgruppen gemacht, die unterschiedliche Akzeptanz bei Jungen und Mädchen näher beleuchtet bzw. erfragt, was den Zuschauern besonders gut gefällt. Um die Interessen der Zielgruppe zu erfahren, würde auch die webside von „Schloß Einstein“, bei der 2,3, Millionen Zugriffe zu verzeichnen sind, ausgewertet.
„Schloß Einstein“ solle u.a. Spaß am Leben mit all seiner Vielfalt vermitteln, sensibelisiere die Kinder für größere gesellschaftliche Zusammenhänge und ließe die Konfliktlösungen immer von den Kindern ausgehen. Die Arbeit mit den Darstellerkindern sei sehr verantwortungsbewußt, hier gelte das Motto: Das Team ist der Star, der Star ist das ganze Team.
„Tabaluga tivi“ – so konnte Angela Welz berichten – habe bis zu einer Million Zuschauer. Die Redaktion erfahre von den Meinungen ihrer Zielgruppe über Zuschauerpost, E-Mails und Klassenbefragungen, die anfangs durchgeführt, dann aber wieder abgesetzt wurden, weil sie sich als nicht repräsentativ erwiesen hätten. Nach 150 Folgen sollte das Konzept grundlegend verändert werden. Dafür wurden mit der ZDF-Meinungsforschung und einem externen Institut professionelle Meinungsumfragen durchgeführt. Wie wird „Tabaluga tivi“ akzeptiert, was gefällt, was stößt auf Kritik? – waren einige der Fragen. In Auswertung dieser Befragungen wurden Veränderungen in der Sendung vorgenommen, nach zwei Monaten wurde das neue Sendungskonzept abermals auf die Zuschauerakzeptanz hin untersucht und nochmals überdacht.
So hatte die Meinung der Zuschauer entscheidenden Einfluss auf die neue Gestaltung. Es wurde z.B. auf Moderatoren verzichtet und auf eine reine Puppenshow gesetzt, es wurden neben Tabaluga neue Figuren eingeführt, die Einspieler drastisch reduziert und die Studiodekoration verändert.

Für die Entstehung der erfolgreichen Kinofilme „Pünktchen und Anton“ (1,8 Mill. Besucher) und „Emil und die Detektive“ (1,6 Mill. ) gab es eigentlich einen sehr privaten Ausgangspunkt, nämlich die Vorliebe für die Bücher von Erich Kästner. Anliegen war, die noch heute gültigen Intentionen von Kästner auf eine nachvollziehbare Realität zu bringen, ohne dabei an Poesie zu verlieren. So wurde z.B. in „Emil und die Detektive“ ein „falscher Emil“ eingeführt, weil es heute nicht möglich ist, daß ein Kind für ein paar Tage verschwinden kann, ohne daß die Polizei eingeschaltet wird. Pony Hütchen, inzwischen zu einer kleinen Kultfigur geworden, mußte frecher gestaltet werden, mußte ein Mädchen sein, das sich seinen Platz nimmt. Im geplanten Film „Das fliegende Klassenzimmer“ wird das Internat eines vom Thomanerchor sein, in das nicht nur reiche, sondern auch „normale“ Kinder aufgenommen werden.
Von der National Researchgroup hat man Pretests durchführen lassen, trotzdem wurde wenig geändert. Bei „Pünktchen und Anton“ stellte sich beispielsweise heraus, daß die Kinder wenig Interesse für die „Elternszenen“ zeigten. Sie wurden trotzdem nicht herausgeschnitten, weil die Eltern, die ihre Kinder ins Kino begleiten, auch „ihre“ Szenen haben sollten. Das Allerwichtigste – so Uschi Reichs Resüme – ist, daß wir von der Arbeit überzeugt sind und nicht nur den Geschmack und die Sehgewohnheiten der Kinder bedienen, sondern ihnen auch etwas abverlangen.

Für die Chefautorin von „Unter uns“, Cornelia Deil-Sanoh, ist es wichtig, daß man die Kinder und Jugendlichen mit den Problemen, die in der Serie behandelt werden, nicht allein läßt, abgesehen davon, daß schwerwiegende Themen, wie z.B. Vergewaltigung oder Rufmord gut recherchiert und sensibel behandelt werden müssen. Die Zuschauer haben und nutzen die Möglichkeit, sich auf der Homepage von RTL weitere zusätzliche Informationen zu holen und sich auszutauschen, es werden Links zu Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen gesetzt.

Für die Diskussion blieb leider nicht viel Zeit. Thematisiert wurde von der Moderatorin Dr. Maya Götz und mehreren Tagungsteilnehmern u.a., daß die Kinder auch ein Interesse an Wissenserwerb haben und dieses, wie beim Wegfall der Einspieler bei „Tabaluga tivi“ immer mehr zu kurz käme. Als Gegenargument führte Christa Streiber an, daß Soaps wie „Schloß Einstein“ auch naturwissenschaftliche und gesellschaftliche Themen behandelten, während Cornelia Deil-Sanoh meinte, daß „Unter uns“ keine wirkliche Wissensvermittlung zum Ziel habe, sondern exemplarisch Situationen darstelle, mit denen Kinder und Jugendliche heute konfrontiert werden. Alice Ammermann vom Bereich Kinder und Jugend beim ZDF wies daraufhin, daß sich die Art der Wissensvermittlung im Fernsehen geändert habe. Reine Lernsendungen gäbe es immer weniger, dafür würden „verdeckt“ Informationen vermittelt.

Abschließend nach den Wünschen für die nächsten Jahre befragt, hoffte Christa Streiber, daß die Sendezeit vom Kinderkanal auf 21 Uhr ausgedehnt und in der Zeit auch „Schloß Einstein“ gesendet werden würde. Cornelia Deil-Sanoh möchte, daß weiterhin die Geschichten in „Unter uns“ glaubwürdig sind und auch zukünftig Phänomene, die nicht so angenehm sind, behandelt werden könnten. Angela Welz hofft für die Zukunft, daß die Eltern den Fernsehkonsum ihrer Kinder ernst und damit mehr Verantwortung übernehmen. Und Uschi Reich würde liebend gern „Die Brüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren verfilmen, „einfach gute, anspruchsvolle Filme machen, die sich Kinder gern ansehen“.